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Collin Coel

Kunst-Apps: Spagat zwischen Masse und Klasse kein Leichtes

Aktualisiert: 15. Sept.

Weltweit setzte der Kunstmarkt 2019 rund 64,1 Milliarden Euro um. Angesichts der Fülle von angebotenen Gemälden, Plastiken und Installationen fällt es Kunstliebhabern naturgemäß schwer, noch den Überblick zu wahren. Wer wie sie von Galerie zu Galerie, von Ausstellung zu Ausstellung hetzt, ist über jeden digitalen Helfer im Kleinformat, genannt App, dankbar. Apps sind aber nicht nur als Kunstführer willkommen, sondern mischen zusehends auch im Kunstunterricht gehörig mit.


Frauenhand mit Handy beim Gebrauch der Magnus-App

Quelle: TagMos.nl auf Twitter


Digitale Kunstführer


Mit biederer Information ist es nicht getan


In der Regel verhält es sich mit den Ausstellungsflyern der Kunstgalerien wie mit den Websites der einschlägigen Kunstmagazine: Entweder erschlagen sie den Kunstliebhaber förmlich mit Informationen oder sie warten mit weitläufig Bekanntem auf. Insofern tun Apps scheints not. Immerhin sehen sie sich im Stande, Informationen um ein Bedeutendes flexibler zu handhaben und damit Kunstinteressierte in der Tat stets auf dem Laufenden zu halten. Die Crux beim Gros der digitalen Kunstführer* ist allerdings, dass es ihnen an einer merklichen Redaktionsarbeit gebricht. Und ein Einheitsbrei hatte selten noch einen sittlichen Nährwert.


Magnus ist als »Shazam für Kunst« in aller Munde. In der Tat entpuppt sich die App gleich ihrem Vorbild als Meisterin der Erkennung. Und zum identifizierten Kunstwerk gibt es den aktuellen Kaufpreis gleich obendrein. Für mehr als Ausstellungstipps prominenter Kunstberater ist Magnus gleichwohl nicht zu haben. Namentlich wenn ebendie auf 6 Städte beschränkt bleiben. Ganz anders schaut die Sache bei Artguide aus. Nachdem diese App des amerikanischen Magazins Artforum Galerien und Museen erlaubt, durch ihren Eintrag selbst auf ihr Angebot aufmerksam zu machen, hagelt es naturgemäß Kunstobjekte. Mit wirklich fundierten Redaktionsbeiträgen, die durch den Blick hinter die Kulissen Aufschluss über die Besonderheiten jedes Kunstobjekts* geben würden, kann aber ebenso Artguide nicht dienen.


Kunstliebhaberin vor Bild im Museum mit Artguide-App

Quelle: Rosy Martell Brooks auf Twitter


Auch die Kleinen wollen im Big Business mitmischen


Exhibitionary, die App des Ex-Kurators Jan Winkelmann und des Softwareentwicklers Istvan Szilagyi, macht Anleihen beim 2010 erschienen digitalen Kunstführer »Eyeout«, dem die damals noch unausgereifte App-Technologie das Genick brach. Summa summarum versorgt Exhibitionary den Kunstliebhaber mit Infos über Kulturereignisse* in 14 Städten und unzähligen temporären Veranstaltungsorten. Von Biennalen und Kunstmessen erfährt der Nutzer ebenso wie von Kunstvereinen, Museen, Filmvorführungen, Performances und Panels. Selbst Partys werden gelistet, die sich dem Nutzer gleich allen anderen Kulturhöhepunkten mit der Aktivierung der Push-Mitteilungen unentwegt in Erinnerung rufen. Insofern gibt es keine Entschuldigung mehr für die Unsitte, statt beim Buch-Launch in der Rooftop-Bar zu landen. Namentlich wenn sich der Kulturtrip mit Google Maps planen lässt, Google also nicht bloß mit den einschlägigen Adressen der Veranstaltungsorte aufwartet.


Vermissen lässt auch Exhibitionary einschlägige Rezensionen der Magazine und Feuilletons. Dafür entschädigt die Tatsache, dass die App quasi Geheimtipps parat hat und sich nicht ausschließlich auf herkömmliche Großereignisse beschränkt. Selbst ein Schuss Demokratie ist mit im Spiel, auf den wirkliche Kunstliebhaber allerdings herzlich gern verzichten können. Was Nutzer nämlich für opportun halten, deckt sich mitnichten mit den Tipps der Kunstexperten*. Und ebendie sind für einschlägige Informationen ausschließlich gegen Bezahlung zu haben.


Digitale Kunstlehrer


Kunstunterricht: Weniger ist mehr


An Apps für den Kunstunterricht mangelt es wahrlich nicht. Sie reichen von Autodesk SketchBook, einem effektiven Zeichenprogramm, über Art Studio Lite, einer professionellen kostenlosen Zeichenmappe, bis hin zu PicCollage, womit Bildcollagen im Nu zur Hand sind. Die Kunst von Pädagogen besteht mithin darin, die Fülle des Angebots auf eine Auswahl von 4 bis 5 Stück zu reduzieren. Mehr Apps sollten es keinesfalls für die Belebung des Kunstunterrichts* sein.


Schüler in Klassenzimmer bei der Arbeit mit Tinkered

Quelle: Kevin Butters auf Twitter


Womöglich eignet sich Tinkercad am besten, Schüler für die Kunst zu begeistern. Schließlich macht der vermehrte Einsatz von 3D-Druckern Lust auf das Erstellen digitaler 3D-Modelle. Das Erfreuliche an Tinkerced ist, dass das 3D-Design ohne spezielle Fachkenntnisse auskommt und sohin wie geschaffen für Kinder und Jugendliche ist. Alles, was es für den Einsatz im Kunstunterricht braucht, ist ein kostenloser Account der Lehrkraft. Über den so generierten Klassencode haben sämtliche Schüler der Lehrkraft Zugang zur Software. Im Prinzip wird dabei einfach eine leere Arbeitsebene nach und nach mit Formen unterschiedlicher Größe und Farbe bestückt. Und das fertige Projekt lässt sich sodann nach Belieben im OBJ-, STL-, GLTF- oder SVG-Format exportieren. Zudem ist ein Nachbau des Modells möglich, sofern sich die Schüler für die Umwandlung ihrer Projekte in eine Anleitung für Bausteine entscheiden. Das kostenlose Angebot hat eigentlich bloß einen Haken: Bedingt durch die Verarbeitung der Daten auch außerhalb der EU ist das Okay des Datenschutzbeauftragten der Schule unumgänglich.


Kunstgeschichte: Zwischen Unterhaltung und Notwendigkeit


Selbstredend ist digitaler Kunstunterricht weit mehr als gelebte Kreativität*. Wer auf die Wissensvermittlung scharf ist, ist etwa mit der kostenlosen App Daily Art bestens bedient. Tag für Tag liefert die App ein Kunstwerk samt Erklärung frei Haus. Nachdem sich die Information in Grenzen hält, verlieren Schüler auch weniger das Interesse.


Sollte der Schulalltag längst Schnee von gestern sein, darf es durchaus ein Alzerl Unterhaltung sein. Nichts eignet sich für den Spaß besser als Augmented Reality. Auch damit können Kunst-Apps dienen. Gleich ARART haucht etwa Artivive den Kunstobjekten Leben ein. Kaum erfasst das Auge der App, die Kamera, das Bild, läuft auch schon ein informatives Video ab. Ohne gewisse Vorarbeit ist an ein solches Kunsterlebnis freilich nicht zu denken. Interessierte Nutzer richten zunächst einen Account ein und bestücken sodann jedes erwünschte Bild mit einem Video der Wahl. Erst dann ist nach der Verarbeitung dieser Vorarbeit durch die App das besagte Kunsterlebnis für alle Endgeräte mit Artivive-App eine Option.


Ukrainer vor Kulturdenkmal bei der Anwendung von Backup Ukraine

Quelle: Zurück zur Zukunft Podcast auf Twitter


Weniger der Spaß als vielmehr der Nutzen wird bei Backup Ukraine großgeschrieben. Ukrainer nutzen dabei die 3D-Modell-Technologie der App Polycam, um ihr Kulturgut zu retten. Nicht von ungefähr. Immerhin nimmt Wladimir Putin gezielt Kulturstätten und Denkmäler unter Beschuss, um die Ukrainer ihrer Identität zu berauben. So lagen UNESCO-Angaben zufolge bereits Anfang August 2022 mehr als 13 Museen, 33 historische Gebäude und 70 religiöse Stätten in Schutt und Asche. Geschuldet ist Backup Ukraine dem Art-Direktor Tao Thomsen. Die kostenlose App fordert die Ukrainer auf, Denkmäler, Skulpturen und historische Gebäude zu fotografieren. Mehr braucht es nicht zur Rettung des Kulturerbes*. Die App verwandelt nämlich die Fotos in digitale 3D-Versionen.


* Unbezahlter Weblink (Eigenwerbung)

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