Der Siegeszug ist nicht zu stoppen. Gamification gilt als Wachstumsmarkt. Auch wenn es nicht ein jeder gern sieht, dass die Schule zur Spielwiese verkommt, schwören aufgeschlossene Pädagogen auf die Vorteile digitaler Spiele. In der Tat taugen ebendie auch zur Bereicherung des Unterrichts, nachdem sie erwiesenermaßen die Sozialkompetenz fördern. Und gegen den natürlichen Hang des Menschen zu Spielen ist kein Kraut gewachsen. Die Emotionen, die Spiele auslösen, sind schwer zu toppen.
Quelle: Classcraft auf Twitter
Über die Anfänge von Gamification
Von Gamification war erstmals um die Jahrtausendwende die Rede. Den Durchbruch schaffte dieses Phänomen allerdings erst 2010. Mittlerweile ist Gamification in aller Munde und nicht länger nur Werbefachleuten ein Begriff.
Der Name ist Programm. Bei Gamification (engl. game = Spiel) geht es schlicht um die Anwendung von Spielmechaniken in spielfremder Umgebung. Erklärte Absicht ist es, die Motivation und das Engagement der Spieler zu steigern. Unbewusst ist faktisch schon ein jeder mal mit Gamification in Berührung gekommen. Zumindest dann, wenn er beim Einkauf Treuepunkte gesammelt hat, beim Reisen in ferne Länder nach den Vielfliegermeilen schielte oder als Kind auf das versteckte Spielzeug in Müslipackungen scharf war.
In der Schule begann alles mit den Lernspielen der 90er-Jahre. Allerdings geht Gamification im Unterricht weit über die reine Wiederholung von Inhalten hinaus. Schreibt eine Schule Gamification auf ihre Fahne, packen die Lehrer regelmäßig komplette Lernprozesse in Spielmechaniken. Und während nun Unternehmen längst mit Gamification zur Steigerung der Mitarbeitermotivation arbeiten, erkennen auch immer mehr Schulen das Potenzial der Spiele im Unterricht.
Intrinsische und extrinsische Motivation garantiert
Naturgemäß haben fantastische Schulen mit unkonventionellen Lehrmethoden* keinen Bedarf an einem Schuss intrinsischer oder extrinsischer Motivation. Spiele im Unterricht haben gleichwohl den unschlagbaren Vorteil, dass sie die Entwicklungspsychologie quasi frei Haus liefern. Immerhin sind Spieleentwickler mit dem A und O der Motivation bestens vertraut. Ihnen ist sehr wohl bewusst, dass sich ihre Produkte namentlich dann vortrefflich verkaufen, wenn sich ihre Spieler kompetent, unabhängig und sozial eingebunden fühlen. Nicht von ungefähr warten die Spiele mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden auf. Sie erlauben zig Lösungen und schreien entweder nach Teamarbeit oder stacheln den Eifer des Wettbewerbs an.
Quelle: Slickdeals auf Twitter
Im Zeitalter von YouTube & Co glaubt ja ein jeder, auf die Schule pfeifen zu können. Dass die Lebensqualität auch eine Frage der Bildung* ist, scheint dabei regelrecht schon in Vergessenheit geraten zu sein. Wenn die Gamifizierung für den Flow sorgt, könnten sich womöglich weniger Jugendliche versucht fühlen, vorzeitig das Handtuch zu werfen und mit einem YouTube-Auftritt einer ungewissen Zukunft entgegenzublicken. Wenigstens als Bereicherung des Unterrichts sind Spiele in der Schule mithin allemal eine Überlegung wert.
Auf die richtige Balance der Elemente kommt es an
Wer in die Welt der Spiele abtaucht, wird unweigerlich von Anglizismen buchstäblich erschlagen. Mit den Termini technici sind Lehrkräfte allerdings naturgemäß rasch vertraut. Dafür fordert ihnen Gamification im Unterricht viel Zeit und Aufwand ab. So gilt es zuvörderst einmal, das betreffende Thema als fesselnde Geschichte zu präsentieren. Es versteht sich von selbst, dass Storytelling vornehmlich eine Frage der Fantasie ist. Die Schüler müssen sich von der Geschichte angesprochen fühlen, um ihre Quest, sprich die Mission, nach besten Kräften zu erfüllen.
Jede abgehakte Quest bringt Erfahrungspunkte oder sorgt für ein positives Feedback. Während manche Quests unter Zeitdruck zu erledigen sind, verlangen andere den Teamgeist. In den Unterricht Gamification zu integrieren bedeutet aber auch, die Sache mit Epic Meaning nicht auf die leichte Achsel zu nehmen. Auf gut Deutsch gesagt geht es hier schlicht darum, dass sich Schüler als Teil eines großen Ganzen empfinden und ihr Gruppenbeitrag entsprechend gewürdigt wird.
Während sich nun die schwächeren Schüler mit Erfahrungspunkten als Belohnung für die Erfüllung ihrer Aufgabe begnügen müssen, dürfen bessere Schüler mit Badges rechnen, also Auszeichnungen für besondere Verdienste. Demotiviert fühlt sich dennoch niemand, weil die verschiedenen Spiellevels den unterschiedlichen Fähigkeiten der Schüler Rechnung tragen. Sollten also Spiele in der Schule eine Option sein, ist es bedeutsam, auf den einseitigen Gebrauch von Spielelementen zu verzichten. Mit einer ausgewogenen Spielgestaltung fühlen sich alle Schüler gleichermaßen angesprochen.
Geeignete Spiele für den Unterricht
In den Unterricht Spiele zu integrieren fällt Schulen, denen die Technik nicht fremd ist* und die auch ohne Technik für innovative Lernanreize empfänglich sind, nicht schwer. Und sollte eine Schule Spiele bis dato nicht im Programm haben, bieten Quiz-Tools à la Kahoot!, Plickers oder Quizacademy die optimalen Voraussetzungen für erste Gehversuche im digitalen Unterricht.
Quelle: Classcraft auf Twitter
Wer es etwas fortschrittlicher wünscht und die Gamifizierung im Klassenzimmer auf das nächste Level heben will, entscheidet sich für das Engagement Management System (EMS) namens Classcraft. Das kostenlose Online-Rollenspiel verspricht eine nahtlose Einbindung in den Workflow des Unterrichts. Die Schüler organisieren sich in 5er- oder 6er-Gruppen und schlüpfen in einen Charakter. Entweder sind sie Heiler, Magier oder Krieger. Mit der leistungsstarken, personalisierten Lernplattform schicken Lehrer ihre Schüler auf eine spannende Abenteuerreise. Und das Gute daran: Digitaler Unterricht muss nicht teuer sein. Immerhin brauchen die Schüler keinen eigenen Computer, um Classcraft spielen zu können. Ein Beamer und ein Schulcomputer reichen vollauf.
Wunderbar digital unterrichten lässt sich auch mit Serious Games, also Spielen, die vornehmlich der Informationsvermittlung dienen und den Unterhaltungswert hintanstellen. So schlüpft der Spieler in Last Exit Flucht in die Rolle eines Flüchtlings. Er spielt zwölf Flüchtingserfahrungen durch, bekommt also unter anderem Aufschluss über die Konfliktsituation in der Heimat, die Gefahren der Flucht und das Leben unter fremden Sternen. Anzunehmen, dass Stop the Mob das Interesse der Schüler mehr weckt. Immerhin sieht digitaler Unterricht mit diesem Spiel vor, den Schüler auf fiktiver Ebene Zeuge des Mobbings eines Mitschülers zu werden. Über Erfolg oder Misserfolg dieses Spiels entscheidet das situative Gebaren des Spielers.
Nicht ausschließlich gute Kritiken
Spiele im Unterricht sind wahrlich nicht nach jedermanns Geschmack. Regelmäßig entzündet sich der Streit an der Gefahr der Manipulation. Letztlich bleibe, so der Vorwurf, von der beabsichtigten Motivation herzlich wenig übrig, wenn alle Welt bloß auf die Belohnung hinarbeitet. Insofern sind Lehrer, die digital unterrichten, gut beraten, mit den Belohnungsmechanismen zu haushalten. Dafür können sie den Schülern gar nicht genug Raum geben, sich mit eigenen Ideen und Lösungsvorschlägen einzubringen.
Während nun die Manipulationsgefahr durchaus als Gegenargument durchgehen mag, mutet es befremdlich an, am Wettbewerb Anstand zu nehmen. So gehört es zum Wesen eines Spiels, dass sich am Ende Gewinner und Verlierer gegenüberstehen. Es reicht vollkommen, wenn im Zeitalter des Internets keine Sau mehr wahrhaben will, dass Prominenz und Ruhm zweierlei Stiefel* sind. Wer sich für die Gamifizierung im Klassenzimmer erwärmt, wird also schlicht und ergreifend damit leben müssen, dass jemand als Sieger vom Platz geht. Vielmehr stellt sich einem die Frage, wie Gruppen- und Einzelleistung mit einer objektiven Beurteilung in Einklang zu bringen sind und ob die Begeisterung nicht letztlich durch den Gewöhnungseffekt verrauscht.
* Unbezahlter Weblink (Eigenwerbung)
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