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Collin Coel

Mit dem Chef und den Kollegen per Du

Aktualisiert: 12. Juni

Ungeachtet der grassierenden Duz-Kultur ist das Du im Arbeitsleben der Deutschen nach wie vor mehr die Ausnahme denn die Regel. Lediglich jeder dritte Arbeitnehmer duzt Vorgesetzte gleichermaßen wie Kollegen. Nicht von ungefähr.


Mitarbeiter Solidarität durch gemeinsamen Handschlag bekundend

Quelle: freepik auf Freepik | Designed by Freepik


Wenn der Business-Knigge den Ton angibt


Seit alters wirft das Duzen oder Siezen Fragen noch und nöcher auf. Neu ist bloß, dass Kenntnisse der Benimmregeln gefragter denn je* sind, um sich als Karrierist nicht vorschnell die Zukunft zu verbauen. Immerhin gelten gesetzt den Fall, dass sich das Unternehmen nicht generell für die Duz-Kultur ausgesprochen hat, im Berufsleben Benimmregeln, die dem Alltagsknigge fremd sind.


Wenig überraschend ist die Hierarchie am Arbeitsplatz das Maß aller Dinge. So ist es verpönt, als Untergebener Vorgesetzten das Du anzubieten. Unter gleichrangigen Arbeitskollegen hingegen obliegt jenem, der mehr Dienstjahre auf dem Buckel hat, das Recht, mit der Höflichkeitsform aufzuräumen. Und auch wenn es der holden Weiblichkeit wider den Strich geht, hat das Geschlecht im Berufsalltag so wenig zu melden wie das Alter. Selbst wenn eine jüngere Chefin einem älteren Untergebenen das Du anbieten kann, muss sie jederzeit damit rechnen, von einem gleichrangigen Arbeitskollegen fürs Duzen erwärmt zu werden. Weit gefehlt also, zu glauben, dass Frauenzimmer im Berufsalltag bloß die Klappe halten müssen, um von Duz-Offerten der Mannsbilder verschont zu bleiben.


Wider den Stachel löcken: Duz-Kultur auf dem Vormarsch


Aktuellen Umfragen in Deutschland zufolge haben 43,2 Prozent der berufstätigen Frauen mit dem Du nichts am Hut. Im Unterschied dazu sperren sich lediglich 34,1 Prozent der Männer gegen einen persönlichen Umgangston am Arbeitsplatz. Zu bedenken gilt es dabei freilich, dass 23,8 Prozent der deutschen Angestellten die höfliche Anrede für antiquiert halten.


Ob das Siezen oder Duzen bei der Arbeit angemessen ist, ist namentlich eine Frage der Branche. Während sich in der PR- und IT-Szene regelrecht 70 Prozent der Mitarbeiter fürs ungezwungene Du aussprechen, verzichten bloß 20 Prozent der Bankbediensteten auf die höfliche Anrede. Und im öffentlichen Dienst sind gar nur 15 Prozent fürs Duzen zu haben.


Diese Studienergebnisse der Jobbörse Stepstone und des Personal- und Managementberaters Kienbaum verwundern insofern, als vor noch nicht allzu langer Zeit Hans-Otto Schrader, der Chef des Versandhauses Otto, bei den 53.000 Mitarbeitern Begeisterungsstürme auslöste, als er ihnen samt und sonders das Du anbot. Und während sich das Duzen buchstäblich schon zum Markenzeichen des schwedischen Möbelhauses Ikea gemausert hat, kann – bei Tage besehen – das, was Heine, Baur, bonprix, Lidl und Google vorleben, von so schlechten Eltern wahrlich nicht sein. Dennoch sind es zur Stunde ausnahmslos die Start-ups, die sich ohne Vorbehalte den englischsprachigen Gepflogenheiten anschließen und mit einem persönlichen Umgangston für eine Atmosphäre des Vertrauens und der Leistungsbereitschaft* sorgen.


Erfolgreiche Mitarbeiter mit geballten Fäusten und lachenden Gesichtern beim Blick auf einen Laptop

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Sagen Sie Ja zum Du: Pro und Kontra


Niemand bestreitet, dass das Siezen oder Duzen mit Vorteilen und Nachteilen einhergeht. Ja, realiter spaltet kaum eine Frage mehr die Geister. Einigkeit besteht allein darin, dass das Duzen im Job arbeitsrechtlich unbedenklich ist. Zumindest geht nicht mal ungewolltes Duzen als Beleidigung durch, die nach Art. 2 Grundgesetz das Persönlichkeitsrecht verletzt und entsprechend zu ahnden ist.


Das Pro und Kontra des Duzens ist im Prinzip rasch erzählt.

Als Pluspunkte sind zu nennen:

  • motivierendes Klima des Vertrauens

  • flache Hierarchien mit kurzen Kommunikationswegen

  • offene Firmenkultur ohne förmliche Barrieren

  • starkes Gemeinschaftsgefühl mit untrüglichem Leistungsansporn

Wider die Duz-Kultur sprechen:

  • Gefahr sexueller Belästigung bei fehlender Distanz

  • Freibrief für Respektlosigkeit* und grobe Umgangsformen

  • Wahrscheinlichkeit verbaler Entgleisungen

  • Neigung zur Redseligkeit und Preisgabe von Privatsachen

  • Zündstoff für Meinungsverschiedenheiten und persönliche Konflikte


Verärgerte Geschäftsfrau beim Ausschelten einer Kollegin

Quelle: katemangostar auf Freepik | Designed by Freepik


Falls die Ablehnung eine Option ist


Es ist eine schiere Illusion, zu glauben, das Duzen ohne Einbindung der Mitarbeiter einführen und sie quasi vor vollendete Tatsachen stellen zu können. Immerhin ist das nonchalante Du am Arbeitsplatz wahrlich nicht jedermanns Sache*. Entscheidet sich also in der Unternehmensumfrage nicht die klare Mehrheit der Belegschaft fürs Duzen, sollte sich die Koketterie mit der persönlichen Anrede umgehend erledigt haben. Stößt die Duz-Kultur hingegen auf entsprechende Resonanz, ist ihr der Erfolg auf Dauer ausschließlich beschieden, wenn sie sämtliche Unternehmensbereiche erfasst. Heißt im Umkehrschluss: Chefs, die sich gegen das Du sperren, fallen bei ihren Mitarbeitern augenblicklich in Ungnade und bringen sich um ihre Glaubwürdigkeit.


Legitim und nicht selten gar opportun ist die Ablehnung des persönlichen Umgangstons in Unternehmen ohne Duz-Kultur. Wer von Haus aus auf die professionelle Distanz schwört, braucht sich kein Gewissen zu machen, auf das dargebotene Du zu verzichten. Einer sorgfältigen Abwägung der Vor- und Nachteile einer solchen Entscheidung bedarf es ausschließlich bei einem Angebot des Chefs. Ihm eine Abfuhr zu erteilen ist naturgemäß ein unkluger Schachzug. Um sich ergo weiterhin seiner Gunst erfreuen zu können, dürfte das Du das geringste Übel sein. Wird der Mitarbeiter allerdings dadurch fortan als Günstling des Chefs wie die Pest gemieden, schreit eine derartige willkürliche Vergabe einer Sonderstellung allemal nach eingehender Überlegung.


Einmal Du, immer Du: Widerruf ausgeschlossen


Die Crux an der Duz-Kultur ist, dass sie nicht rückgängig zu machen ist. Ein Unternehmen, das sich für sie ausgesprochen hat, wird sich in die Umstände fügen und mit dem Du leben lernen müssen.


Selbst in einem Unternehmen ohne explizite Duz-Kultur ist einem Mitarbeiter spätestens nach 24 Stunden der Weg zurück zum Sie versperrt. Zumindest ist das die übliche Bedenkzeit, die einem die Business-Etikette einräumt. Insofern ist es allemal ratsam, sich die Zustimmung zum Duzen zweimal zu überlegen. Diese Regel kennt eigentlich nur eine Ausnahme: das Party-Du. Devise: Wer Bacchus huldigt und unter starkem Alkoholeinfluss das Du auspackt, ist entschuldigt. Er hat es nicht ernst gemeint und darf jederzeit ungeniert wieder das Sie einfordern.


* Unbezahlter Weblink (Eigenwerbung)

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