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Collin Coel

NFTs – Fluch oder Segen?

Aktualisiert: 29. Mai

Non-Fungible Token, kurz NFTs genannt, mischen zur Stunde gehörig den Kunstmarkt auf. Sie sind quasi der letzte Schrei, ein Must-have. Für hohe Summen wechseln sie den Besitzer. Spielt der Kunstmarkt mal wieder nur verrückt oder steckt mehr hinter den fälschungssicheren Krypto-Zertifikaten?


Non-Fungible Token

Quelle: Designed by Freepik


Sichtliche Belebung des Marktes


Seit dem Verkauf von »Everydays: The First 5000 Days« des US-Digitalkünstlers Beeple am 11. März 2021 bei Christie’s in London für 58,86 Millionen Euro sind NFTs in aller Munde. Davor hat kein Hahn nach ihnen gekräht, wiewohl sie bereits seit Jahren in Umlauf sind. So sind es Gamer längst gewohnt, digitale Charaktere, Gegenstände und Ressourcen über NFTs zu beziehen, um in höhere Levels aufzusteigen. Unglaubliche 1,5 Millionen Dollar wurden für ein virtuelles Stück Land in Axie Infinity, dem 2018 erstmals veröffentlichten Blockchain-Computerspiel von Sky Mavis, bezahlt.


Noch sind die Werke des Digitalkünstlers Trevor Jones nicht versteigert worden, doch wird der in Schottland lebende Kanadier augenblicklich als Geheimtipp gehandelt. Den Hype auf dem Kunstmarkt* befeuern allerdings Wirtschaftsgrößen und Musiker. So fühlte sich Tesla-Gründer Elon Musk bemüßigt, einen Song über NFTs zu schreiben. Vom geplanten Verkauf als Non-Fungible Token ließ er endlich aber ab. Dafür hat seine Lebensgefährtin, die Popmusikerin Grimes, auf Nifty Gateway im Februar 2021 kurze Videoschnipsel für ansehnliche sechs Millionen Dollar als Token vertickt. Die Band Kings of Leon hinwiederum veröffentlichte ihr jüngstes Album »When You See Yourself« am 5. März 2021 im NFT-Format. Tags zuvor war es der kanadische Musiker Clarian, der mit einem NFT-Album an die Öffentlichkeit ging. Und nicht zuletzt hat der Twitter-Gründer Jack Dorsey mit dem Verkauf seines ersten Tweets für Furore gesorgt, nachdem der Non-Fungible Token für satte 2,9 Millionen Dollar über den Ladentisch ging. Selbst die hässliche Nyan Cat, ein animiertes GIF-Video, war dem Käufer 600.000 Dollar wert und ist nicht weniger ein Indiz für den NFT-Hype als der 200.000 Dollar teure Clip mit dem Basketball-Star LeBron James, der ihn beim Versenken eines Balls im Korb zeigt.


Non-Fungible Token einfach erklärt


Auf gut Deutsch gesagt sind Non-Fungible Token nicht ersetzbare respektive nicht austauschbare Token. In anderen Worten handelt es sich bei NFTs um digitale Echtheitszertifikate, mit denen in einer Unmenge an identischen Kopien stets die Originaldatei auszumachen ist.


NFTs arbeiten also auf Basis von Blockchains, jenen digitalen Kassenbüchern, mit denen die Kryptowährungen gehandhabt werden. Während aber die Blockchain von Bitcoin lediglich die Speicherung einfacher Währungstransaktionen erlaubt, lassen sich die Blockchains von Ethereum, TRON, WAX, NEO und Tezos auch mit Programmen bestücken. Diese sogenannten Smart Contracts ermöglichen auf der Blockchain Einträge, die im Unterschied zu Einheiten einer Kryptowährung weder teil- noch tauschbar, sondern einmalig sind. Und NFTs sind nichts anderes als solche Einträge.


Non-Fungible Token

Quelle: Designed by Freepik


Lädt nun ein Künstler auf einschlägigen Plattformen à la OpenSea seine Werke hoch, kann er gegen Entrichtung einer Gebühr einen Non-Fungible Token generieren. Dazu wird jedem einzelnen Kunstwerk eine absolut einzigartige Signatur verpasst, die in der Blockchain abgelegt wird. Mithin wird nicht das Kunstwerk als solches von der Blockchain gespeichert. Dafür gebietet über die Signatur stets nur eine einzige Person respektive eine einzige Krypto-Wallet. Beim Verkauf eines Kunstwerks tritt der Künstler von daher auch nicht das Kunstwerk an sich ab, ja nicht einmal die Urheber- und Verwertungsrechte, sondern ausschließlich jenes digitale Echtheitszertifikat, das sein digitales Kunstobjekt repräsentiert.


Beim Gros der aktuellen NFTs sorgt die Blockchain von Ethereum für die Echtheit der Kunstwerke. Zwei Token-Standards von Ethereum sollten Künstler und Kunstsammler kennen: den ERC-721-Standard und den ERC-1155-Standard. Der ERC-721-Standard ist zwar stärker verbreitet, dafür sind beim Multi-Token-Standard ERC-1155 gleich unendlich viele Token in einem einzigen Smart Contract drin.


Unschlagbare Vorteile von NFTs


• Besitzanspruch durch Echtheitszertifikat


In einer Reihe mit der Malerei und Bildhauerei steht die digitale Kunst erst, seit es NFTs gibt. Mit dem Echtheitszertifikat kann jeder Kunstsammler einen Besitzanspruch anmelden. Nicht von ungefähr bezeichnen Kunstexperten die Blockchain als echten Gamechanger. Stets schreit der Kunstmarkt nach Original und Besitzer. Und mit NFTs kann mit einem Mal auch die digitale Kunst damit aufwarten und wird von daher ein ernsthafter Konkurrent von analogen Gemälden und Skulpturen. Das ist beileibe nicht nur so dahingesagt. Bereits jetzt ist die Wertsteigerung von Kunstwerken* in der NFT-Kunst belegbar. So hat der Kunstsammler Pablo Rodriguez-Fraile aus Miami im November 2020 Beeples 10-sekündige Animation Crossroads für läppische 67.000 Dollar erworben. Nur drei Monate später wanderte das Video mit dem nackten Ex-Präsidenten Donald Trump im Park für 6,6 Millionen Dollar zum nächsten stolzen Besitzer.


• Lukrativer Vertriebsweg für Künstler


Kürzer und günstiger können Vertriebswege kaum noch sein. Wenn NFTs den Gang ins Auktionshaus ersparen und obendrein die mancherorts üblichen 25 Prozent Aufschlag flachfallen, hüpft noch jedem Künstler das Herz im Leibe. Das sind jedoch bei Weitem noch nicht alle Vorteile von NFTs. Immerhin lassen sich beispielsweise in Non-Fungible Token auch die gewünschten Tantiemen für den allfälligen Weiterverkauf eines Kunstwerks packen. Und wenn es ein Digitalkünstler wirklich mit den NFTs auf die Spitze treiben will, optiert er für den Treuebonus. Nachdem aus der Blockchain hervorgeht, in welcher digitalen Brieftasche ein Token landet, ist es theoretisch denkbar, NFT-Besitzer mit Exklusivangeboten langfristig an den Künstler zu binden.


Non-Fungible Token

Quelle: Designed by Freepik


• Kunst nur eine Verwertungsmöglichkeit von vielen


Die Tokenisierung ist längst nicht auf den Kunstmarkt beschränkt. Nahezu schon täglich begegnen einem neue Vorschläge für nützliche Anwendungen dieser revolutionären Technologie. Die Tokenisierung von Liegenschaften, Firmenanteilen, Personalausweisen und Geburtsurkunden sollte nur noch eine Frage der Zeit sein.


Erhebliche Nachteile von NFTs


• Anonymität von Kryptotransaktionen


Es wäre zu schön, um wahr zu sein, doch einen Kunstkauf ohne Risiko* wird es wohl nie geben. Auch oder gerade die Kryptotransaktionen schließen den Diebstahl und die Übervorteilung nicht aus. Immerhin verlangen zur Stunde die Plattformen keinen Besitznachweis. Theoretisch kann jeder nach Belieben für Diebesgut NFTs schnüren und mit ebendiesen einen schwunghaften Handel betreiben. Hinzu kommt, dass der Kryptomarkt weitgehend unreguliert und hochspekulativ ist. Auf die NFT-Kunst werden mithin über kurz oder lang Finanzvorschriften zukommen.


• Schauderhafte Energiefresser


Die Kritik entzündet sich vor allen Dingen aber am exorbitanten Energieverbrauch. Zur Abwicklung einer NFT-Transaktion werden Abertausende von Computern bemüht, die sich der komplizierten Berechnungen annehmen. Im Schnitt verbraucht ein NFT-Verkauf 340 Kilowattstunden, also den jährlichen Strombedarf eines Haushaltsgroßgeräts. Oder um es noch eine Spur deutlicher zu sagen: Die Blockchain von Ethereum verschlingt nicht weniger Strom als das Land Panama.


Handel mit digitaler Kunst


• Rechtliches Verwirrspiel bei komplexer Technik


Noch ist es wahrlich nicht ausgeschlossen, dass der NFT-Investor sein blaues Wunder erlebt. Selbst einschlägige Plattformen wie OpenSea sind alles andere als leicht zu bedienen. Es beginnt schon mal damit, dass der Verkäufer ohne praktische Erfahrungen mit der Blockchain seine liebe Not hat, einen Non-Fungible Token zu erzeugen. Beim Käufer dürfte hingegen die Sorge umgehen, keinen sicheren Link für das gekaufte Kunstwerk eingehändigt zu kriegen. Aus Kosten- und Umweltgründen wird bekanntlich nicht das Kunstwerk in die Blockchain eingebaut, sondern bloß ein Link. Obacht ist allerdings namentlich bei den eingeräumten Rechten zu geben. Nachdem das Urheberrecht beim Künstler verbleibt, kann dieser dem Käufer lediglich Nutzungsrechte verticken. Es ist am Käufer, die unterschiedlichen Nutzungsarten im Vorfeld des Kaufs zu klären, also sich etwa das Recht des Ausdrucks auf Papier zu sichern. Womöglich ist der Kunstsammler zudem an Bearbeitungsrechten interessiert. Worauf er sich letztlich auch immer einigt, bewusst sein muss ihm jedenfalls, dass der Künstler als Urheber bei jedem Weiterverkauf des Kunstwerks mitschneidet.


• Provenienzforschung leicht gemacht


Attraktiv macht den NFT-Handel gleichwohl die Transparenz der Weitergabe. Die Kryptotransaktionen sind eindeutig nachvollziehbar. An der Bedeutung der Provenienzforschung* zweifelt spätestens seit dem Fall Gurlitt niemand mehr. Auch wenn sich letztlich bloß 14 der mehr als 1500 sichergestellten Kunstwerke als NS-Raubkunst entpuppten, hat das Volk ein Recht darauf zu erfahren, was es mit Cornelius Gurlitt, dem Sohn des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, auf sich hat.


Plattformen und Auktionshäuser als Anbieter


Ungeachtet der Tatsache, dass Christie’s mit Beeple ein erfolgreiches NFT-Debüt gefeiert hat und gar die Kryptowährung Ether als Zahlungsmittel akzeptierte, werden NFT-Auktionen erst ihren Platz erkämpfen müssen. Sotheby’s plant zwar eine Auktion mit dem Digitalkünstler Pak, ein Termin dafür steht jedoch noch nicht fest. Insofern werden sich Digitalkünstler fürs Erste mit den einschlägigen Plattformen begnügen müssen.


Zu den Big Playern zählt Nifty Gateway, Foundation ist dafür ebenso wie Rarible auf digitale Kunst spezialisiert. Ein Klassiker ist OpenSea, die Gamer verschlägt es hingegen auf den Enjin Marketplace. Und wer immer noch nicht fündig geworden ist, kann es ja mit SuperRare versuchen.


* Unbezahlter Weblink (Eigenwerbung)


Disclaimer:

Dieser Artikel dient lediglich Informationszwecken und stellt weder eine Anlageberatung noch eine umfassende Aufklärung über die Risiken beim Kauf, Verkauf und Halten von Finanzprodukten dar. Der Verfasser haftet nicht für etwaige Verluste, die einer Umsetzung der Gedanken und Ideen des Artikels geschuldet sind.

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