Noch sind die deutschen Unternehmer weit davon entfernt, bei den internationalen Gamechangern Anleihen zu machen und einer positiven Fehlerkultur das Wort zu reden. Fehler als Chance zu begreifen ist eben nicht jedermanns Sache. Dass die zunehmende Digitalisierung vermehrt für Fehler sorgt, steht dabei für 85 Prozent der Führungskräfte und 80 Prozent der Mitarbeiter außer Frage. Umso mehr überrascht es, dass nahezu einem Fünftel der Beschäftigten in Deutschland die Thematisierung von Fehlern fremd ist. Arbeitgeber, die damit nichts am Hut haben, bringen sich zwangsläufig um die Früchte ihrer Arbeit. Immerhin bleibt ohne konstruktive Fehlerkultur die Innovation auf der Strecke.
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Fehlerkultur nicht mit Fehlermanagement zu verwechseln
Weit gefehlt, zu glauben, dass Fehlerkultur einer Einladung zu Fehlern gleichkommt. Vielmehr erlaubt eine positive Fehlerkultur Mitarbeitern, Fehler zu machen, ohne dabei eine grauenhafte Schelte fürchten zu müssen oder gar zum Tempel hinauszufliegen.
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Wer für Versuch und Irrtum nichts übrighat, erstickt unweigerlich jede Neuerung im Keim. So wagt es naturgemäß kein Mitarbeiter, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und zu neuen Ufern aufzubrechen, wenn ein inkompetentes Management jede Abweichung von der Norm als unliebsames Risiko* empfindet. Mehr noch aber werden es fähige Mitarbeiter unterlassen, sichtliche Probleme offen anzusprechen oder Fehler einzuräumen, wenn dafür im Unternehmen das Verständnis fehlt und die Schuldigen fortan ein schweres Los haben. Insofern ist es nur logisch, dass an ein Fehlermanagement ohne entsprechende Fehlerkultur nicht zu denken ist. Methoden zur Handhabung von Fehlern haben schließlich keinen sittlichen Nährwert, wenn die Fehler vorsorglich unter den Tisch gekehrt werden und keine Sau ein Wort darüber verliert.
Fehlerkultur steckt noch in den Kinderschuhen
Zahlen lügen nicht. Aus einer 2018 veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young erhellt, dass für 18 Prozent der 800 befragten Angestellten in ihrem Unternehmen von Fehlern nie die Rede ist. Immerhin noch für 7 Prozent der befragten 218 Führungskräfte gehört die Tabuisierung von Fehlern* zum Wesen ihres Brötchengebers. Karriererückschläge und Kündigungen sind regelmäßig die Hauptbeweggründe, die Klappe zu halten. Während aber 57 Prozent der Angestellten durch die Preisgabe schlechter Nachrichten nicht als Bauernopfer enden wollen, ist es 54 Prozent der Führungskräfte lediglich darum zu tun, durch die Vertuschung von Fehlern das Gesicht zu wahren.
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Zwar erfreuen sich Veranstaltungen wie die »Fuckup Nights« mittlerweile hoher Beliebtheit, bis allerdings mehr als nur Unternehmensgründer und etablierte Unternehmer von ihren Fehlern und Niederlagen berichten, fließt noch viel Wasser den Berg hinunter. Was sich bei den Japanern also bereits in den 1990er-Jahren als Erfolgsgeheimnis bewährt und den enormen Wirtschaftsaufschwung eingeläutet hat, macht in Deutschland drei Jahrzehnte später erst nach und nach Schule. Wenn mit den 57 Prozent demotivierten Mitarbeitern, die emphatisch nach einer Fehlerkultur schreien, jährlich rund 100 Milliarden Euro Umsatz flöten gehen, wäre die Zeit für einen Gesinnungswandel eigentlich reif und sollte der Nutzen einer konstruktiven Fehlerkultur nicht länger unentwegt thematisiert werden müssen.
Vorbildfunktion für Fehlerkultur unverzichtbar
Nicht von ungefähr schwören Unternehmensgründer auf die Vorzüge der offenen Fehlerkultur*. Selten wird eine Unternehmensgründung auf Anhieb perfekt gelingen. Insofern können Unternehmensgründer gar nicht umhin, sich in die Umstände zu fügen und mit dem Versuch-Irrtum-Prinzip zu arbeiten. Wer hingegen als herkömmliche Führungskraft mit der Vergangenheit der Drohgebärden und harschen Vorwürfe aufräumen will, muss seinen festen Willen erst nachhaltig unter Beweis stellen. Zwingend braucht es da die offenen Fehlereingeständnisse des Chefs, damit sich die Untergebenen fortan in waghalsigen Projekten wohlfühlen und sich nicht von vornherein mit der bombensicheren Alternative bescheiden. Helfen kann dabei, wenn der Chef hergeht und sich mit dem Pareto-Prinzip (80:20) bewusst überall dort dem übertriebenen Perfektionismus der Mitarbeiter verschließt, wo ebender für den direkten Unternehmenserfolg unmaßgeblich ist.
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Offen über unterlaufene Fehler werden die Mitarbeiter namentlich dann reden, wenn alle Welt die Fehler als Lernmöglichkeit begreift. Insofern ist es am Chef, sich nicht weiter einen Kopf um die Gründe fürs Versagen seines Untergebenen zu machen, sondern sich umgehend nach japanischem Vorbild zur Gänze der Lösung des gegenständlichen Problems und der weiteren Vorgehensweise zu verschreiben. Endlich aber eignen sich zur Fehlerkultur nur Methoden, die auf der Fähigkeit zur Selbstreflexion aufbauen. So wird kein Fehler der Welt beizeiten aufgedeckt, wenn sich der Mitarbeiter außer Stande sieht, seinen Fehler selbst zu erkennen.
Mit einer Fehlerkultur ist es bei HROs nicht getan
Zu den sogenannten High Reliability Organizations, kurz HROs genannt, zählen Kernkraftwerke, Ölbohrinseln, Chemiekonzerne, Krankenhäuser, Feuerwehren, die Luftfahrt und der Justizvollzug. Naturgemäß ist Fehler nicht gleich Fehler. Schätzt ein Pilot eine Situation falsch ein, kostet dieser Fehler mitunter Hunderten von Menschen das Leben. Niemand vermag über einen solchen Fehler großzügig hinwegzusehen und es bei einer konstruktiven Fehlerkultur zu belassen. Gefragt ist bei HROs vielmehr ein rigoroses Fehlermanagement. Nichts darf dem Zufall überlassen bleiben, alles muss nach besten Kräften abgesichert sein.
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Ein treffliches Fehlermanagement empfiehlt sich freilich nicht nur für HROs. Auch wenn keine menschlichen Tragödien dräuen, stehen mit einem lausigen Fehlermanagement Jobs auf dem Spiel. Schließlich bürgt ein entsprechendes Fehlermanagement für nachhaltige Kundenzufriedenheit*. Wie unterschiedlich mitunter Fehler diesseits und jenseits des Großen Teichs kommuniziert und entschädigt werden, hat der VW-Abgasskandal zur Genüge gezeigt.
Selbst bei einem veritablen Schaden hält sich der Imageverlust eines Unternehmens in Grenzen, wenn es um das Fehlermanagement bestens bestellt ist. Unternehmen, für die die Wettbewerbsfähigkeit eine Frage des Fehlermanagements ist, sollten sich stets bewusst sein, dass die Vorstufe der Fehlerkultur in einem vertrauensvollen Betriebsklima um ein Bedeutendes leichter zu verwirklichen ist. Gesetzt den Fall, dass mit der Fehlerkultur und dem Fehlermanagement alles im Lot ist, hat ein Mitarbeiter dann eigentlich nur den Wiederholungsfehler zu fürchten. Er gilt nämlich nicht von ungefähr als individuelles Versagen, dem personelle Konsequenzen zwangsläufig folgen müssen. Alles andere gliche einer unverzeihlichen Verantwortungslosigkeit.
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