E-Mobilität ist ein zweischneidiges Schwert. Einesteils leisten Elektroautos unstreitig ihren Beitrag zum Klimaschutz, andernteils bedürfen ihre Batterien aber zwingend des Lithiums. Und ebendieses ist nicht von ungefähr als Umweltsünder verschrien. Die Jagd nach dem sogenannten weißen Gold ist umso bedenklicher, als die Nachfrage allein zwischen 2008 und 2018 von 25.400 auf 85.000 Tonnen im Jahr gestiegen ist. Immerhin haben auch die Akkus von Handys und Notebooks Bedarf an dem kostbaren Rohstoff.
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Goldgräberstimmung: Zahlen lügen nicht
2002 war eine Tonne Lithiumcarbonat noch für 1.590 US-Dollar zu haben. 2018 waren hingegen dafür rund 16.500 US-Dollar zu berappen. Insofern überrascht es nicht, dass die Investoren Blut geleckt haben und die Preisentwicklung des weißen Goldes mit Argusaugen verfolgen*.
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Während sich die Lithium-Ionen-Akkus der Smartphones mit wenigen Gramm Lithium begnügen, verlangt ein Laptop bereits 200 Gramm. Und in der Batterie eines Elektroautos sind im Schnitt satte 22 Kilogramm Lithium geparkt. Im Lichte einer solchen Nachfrage leuchten naturgemäß die Augen von Bergbauriesen à la Albemarie oder Sociedad Quimica y Minera de Chile (SQM). Nicht von ungefähr wird das Leichtmetall in der Deutschen Rohstoffagentur als Schlüsselrohstoff der kommenden Jahrzehnte gehandelt*. Allein die südamerikanischen Böden wurden bis dato um rund 300.000 Tonnen Lithiumcarbonat erleichtert. Dass der Abbau einem massiven Eingriff in die Ökosysteme gleichkommt, schert scheint’s niemanden. Umso unbegreiflicher sind jene Proteststimmen, die sich in Deutschland gegen den Lithium-Abbau erheben. Immerhin könnte das Land den begehrten Rohstoff nachweislich umweltschonend gewinnen und angesichts der immensen Vorräte für Milliardenumsätze sorgen.
Abbau: Deutschland im Fokus des Interesses
Mit 8 Mio. Tonnen gebietet Chile unstreitig über die größten Lithium-Vorkommen. Auf Platz 2 rangiert Australien mit 2,7 Mio. Tonnen, gefolgt von Argentinien mit 2 Mio. Tonnen und China mit 1 Mio. Tonnen. Weltweit ist einschlägigen Schätzungen zufolge mit einem Lithium-Vorkommen von 14 Millionen Tonnen zu rechnen, wobei in Europa bis dato nur Portugal mit vergleichsweise bescheidenen Mengen als Lithium-Lieferant von sich reden machte. Mit 51.000 Tonnen war 2018 Australien mit Abstand der wichtigste Lithium-Lieferant, während Chile immerhin noch mit 16.000 Tonnen aufwartete und China 8.000 Tonnen zur Deckung der Nachfrage beisteuerte. Nachdem die Autoindustrie allein bis 2030 über 240.000 Tonnen benötigt, ist es unter Garantie nicht verkehrt, nach weiteren potenziellen Rohstofflieferanten Ausschau zu halten und mit den bisherigen Marktabhängigkeiten aufzuräumen*.
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Dass die Lithiumgewinnung in Deutschland bald nicht länger nur Rohstoffexperten der Börse* und Autoherstellern ein Begriff sein dürfte, steht zu vermuten. So stecken bereits zur Stunde einschlägige Lithiumjäger wie Anton du Plessis das Feld ab. Als CEO von Zinnwald Lithium ist der Südafrikaner bestens im Bilde über die gigantischen Schätze, die in den Höhlen des Erzgebirges und in den Granitschichten unter dem Rhein schlummern und bloß auf Abnehmer wie ihn warten. Bestätigen sich die Vermutungen des umtriebigen Schatzsuchers, ist mit der Million Tonnen Lithiumcarbonat des Osterzgebirges für 20 Millionen Elektroautos der Lithiumbedarf gedeckt.
Umweltgefahr: Aufschrei der indigenen Bevölkerung
Unter einem Unstern scheint die Lithiumgewinnung in Bolivien zu stehen. Im Unterschied zum australischen Erzbergbau sind in Südamerika Salzwüsten, sogenannte Salaren, Lithiumlieferanten. Dazu wird, wie in der 10.000 Quadratkilometer großen bolivianischen Salzwüste Salar de Uyuni, lithiumhaltiges Salzwasser aus unterirdischen Seen an die Oberfläche gepumpt, mit Frischwasser angereichert und in riesigen Sammelbecken der Verdunstung durch die Sonneneinstrahlung preisgegeben. Treiben die Bagger der Rohstoffkonzerne wie gehabt ihr Unwesen ungeniert weiter, werden die an sich schon vom Aussterben bedrohten Andenflamingos* bald endgültig von der Bildfläche verschwinden. Naturgemäß geht mit dem immensen Frischwasserverbrauch eine Dürre in der umliegenden Region einher, was etwa in Chile nicht erst seit gestern zum Aufschrei der indigenen Bevölkerung geführt hat.
Quelle: Zoo Berlin auf Twitter
Dass die australischen Minen gemessen an den südamerikanischen Salzwüsten keinen Deut umweltfreundlicher sind, ist ein offenes Geheimnis. So führt das Rösten der gemahlenen Steine zu einem CO2-Ausstoß von 15 Tonnen je gewonnener Tonne Lithium. Hinzu kommt, dass der Rohstoff in alle Herren Länder verschifft wird und allein schon von daher seinen ökologischen Fußabdruck hinterlässt*.
Geothermie: Ausweg mit Pferdefuß
Wer im Lithium-Abbau die Umweltschäden ernst nimmt*, wird sich als Rohstoffkonzern fortan zur Gänze dem Grimmer-Saravia-Verfahren verschreiben. Benannt nach Jens Grimmer und Florencia Saravia, den beiden Forschern des Karlsruher Instituts für Technologie, macht sich diese umweltschonende Lithiumgewinnung die Geothermie zunutze. Im Prinzip wird dazu einfach das Lithium aus dem Thermalwasser gefiltert. Mit den drei Geothermieanlagen Baden-Württembergs würden dadurch je Liter Thermalwasser 200 Milligramm Lithium an die Oberfläche gespült. Während also ohnehin schon jede Sekunde rund 100 Liter heißes Thermalwasser zur Strom- und Wärmegewinnung aus der Tiefe geholt werden, würde mit einem einfachen Filter zusätzlich schlicht und ergreifend als Nebenprodukt das Lithium anfallen. Und das Schöne daran: Setzt das Land auf dieses Verfahren, vermag es mehr als die Hälfte des aktuellen Lithiumbedarfs zu decken. Das deutsch-australische Start-up Vulcan Energy Resources, bei dem Grimmer mitarbeitet, gedenkt, auf ähnlicher Basis Lithium zu extrahieren.
Quelle: ThinkGeoEnergy auf Twitter
Nachdem für die Lithium-Extraktion die Energie der Geothermieanlage genutzt wird, wäre die Lithiumgewinnung rein rechnerisch klimaneutral. Noch befindet sich das ganze Verfahren im Versuchsstadium. Eine Testanlage soll die Möglichkeit der großtechnischen Anwendung der Laborbedingungen belegen. Die Sache hat bloß einen Haken: Die Wirtschaftlichkeit kann das Umweltprojekt gefährden.
Es verhält sich schlicht so: Unterliegt die Fließrate Grenzwerten, ist die nötige Fördermenge für die wirtschaftliche Lithiumgewinnung nicht zu erzielen. Und genau das scheint zur Stunde noch der Fall zu sein. Zumindest hat das französische Unternehmen Fonroche Schiffbruch erlitten beim Versuch, mit Geothermiebohrungen in Straßburg zu punkten. Erdbeben führten zu einem vorzeitigen Ende der Bemühungen. Und die Crux dabei: Selbst nach Einstellung der Bohrungen gab es in der Region weiterhin Erdbeben mit entsprechenden Gebäudeschäden. Dementsprechend skeptisch reagiert die Bevölkerung, wenn sich ein Geothermiekraftwerk ankündigt und mit einer umweltschonenden Lithiumgewinnung* den Markt beleben will. Solange die Bedenken nicht vom Tisch sind und die Bevölkerung gleich Grimmer eine Autofahrt für riskanter erachtet als das Leben im Einzugsgebiet eines Geothermiekraftwerks, wird Vulcan Energy Resources auch weiterhin vergebens auf die Kooperation der Kommunen hoffen und wie in der Ortenau von geologischen Untersuchungen absehen müssen.
* Unbezahlter Weblink (Eigenwerbung)
Disclaimer:
Dieser Artikel dient lediglich Informationszwecken und stellt weder eine Anlageberatung noch eine umfassende Aufklärung über die Risiken beim Kauf, Verkauf und Halten von Finanzprodukten dar. Der Verfasser haftet nicht für etwaige Verluste, die einer Umsetzung der Gedanken und Ideen des Artikels geschuldet sind.
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