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Collin Coel

Garantiert CO2-frei: Thorium-Reaktoren

Aktualisiert: 29. Mai

In den Bau des experimentellen Thorium-Reaktors hat China 22 Milliarden Yuan oder umgerechnet rund 2,9 Milliarden Euro gesteckt. Es verlohnt die Mühe, einen Blick in die Stadt Wuwei der Wüstenprovinz Gansu zu werfen. Immerhin verspricht der Thorium Molten Salt Reactor, kurz TMSR genannt, CO2-freien Strom ohne die Gefahr einer Kernschmelze. Seit September 2021 läuft der Probebetrieb und schon 2030 könnte der Minireaktor im Badezimmerformat in Serienproduktion gehen.


Luftaufnahme eines Atomkraftwerks

Quelle: Pat Perry auf Twitter


Trefflicher Ersatz für Uran: Thorium


Nicht mehr als einer Handvoll Thoriums bedürfte es, um den Energiebedarf eines ganzen Menschenlebens zu decken. Aus Kostengründen wurde Thorium bisher kaum industriell genutzt, nachdem es im Unterschied zu manchen natürlich vorkommenden Uranisotopen ohne Umwandlung in einen spaltbaren Stoff zu nichts nütze ist. Zumindest in China erfreut sich das Abfallprodukt der Bergbauindustrie für Seltene Erden jedoch großer Beliebtheit. Immerhin bietet es sich als attraktive Alternative zum teuer importierten Uran an, mit dem herkömmliche Kernkraftwerke gespeist werden. Auch kommt das nach dem nordischen Gott Thor benannte Isotop Thorium-232 3- bis 4-mal häufiger vor als Uran. Angezeigt ist die Koketterie mit Thorium allerdings namentlich, weil sich beim Thorium-Reaktor der Atommüll in Grenzen hält und eine langfristige Sicherung der Lebensqualität* naturgemäß im Interesse des Menschen sein muss. Von einer kolportierten Halbwertszeit des radioaktiven Abfalls von 500 Jahren ist die Rede, die gemessen an den 10.000 Jahren der Uranreaktoren ein Geschenk ist.


Klein, aber fein: TMSR-Prototyp


Der TMSR zählt mit einer Höhe von gerade mal 3 Metern und einer Breite von 2,50 Metern zu den Minireaktoren. Dieses handliche Format ermöglicht a) die Herstellung unter Reinraumbedingungen, b) die Serienfertigung à la Autos und c) bei allfälligen Wartungen einen leichten Abtransport und Austausch mit dem LKW. Zwar ist der augenblicklich erprobte Prototyp bloß für eine Energieleistung von 2 Megawatt gut, womit sich maximal 1000 Haushalte versorgen lassen, in der kommerziellen Version 2030 werden aber 373 Megawatt zur Versorgung von Hunderttausenden von Haushalten zur Verfügung stehen. Erklärtes Ziel Chinas ist dabei, bis 2050 die Kohlenstoffemissionen zu stoppen*. Schon jetzt schreibt das Land Geschichte, zumal mit dem Probelauf des Versuchsexemplars der erste Flüssigsalzreaktor seit 1969 in Betrieb ist. In jenem Jahr hat für den Flüssigsalzreaktor am Oak Ridge National Laboratory im US-Bundesstaat Tennessee die letzte Stunde geschlagen. Zudem dürfen die Chinesen mit Stolz auf die Tatsache verweisen, dass ihr Versuchsreaktor der erste Flüssigsalzreaktor ist, der auf Thorium-Basis läuft.


Innenansicht eines Thoriumreaktors

Quelle: De Schuyteneer Guido auf Twitter


Gefahr der Kernschmelze gebannt: Flüssigsalzreaktoren


Niemand wünscht sich eine Neuauflage des Reaktorunfalls von Fukushima. Fehlt es an der Kühlung der Anlage durch einen Ausfall der Generatoren, ist die Kernschmelze die unweigerliche Folge. Radioaktiver Dampf macht sich in der Atmosphäre breit. Im Unterschied zu herkömmlichen Atomkraftwerken benötigen Thoriumkraftwerke kein Wasser zur Kühlung der festen Brennstäbe. Vielmehr arbeiten sie mit Salzen auf Fluoridbasis, die sich bei 450 Grad Celsius in eine farblose Flüssigkeit verwandeln und gleichzeitig als Kühlmittel fungieren. Und nachdem ein Brennstoff wie Thorium im flüssigen Salz gelöst ist, sind bei Flüssigsalzreaktoren wie jenem in Wuwei gemessen an herkömmlichen Kernreaktoren niedrigere Drücke drin. Damit verringert sich automatisch die Gefahr einer hochexplosiven Kernschmelze. Sollte es wider Erwarten doch zu Zwischenfällen kommen, würde sich das flüssige Salz umgehend abkühlen und kristallisieren. Radioaktiv wäre es dann zwar nach wie vor, doch wäre es wie eh und je greifbar und würde sich nicht gleich dem Dampf in alle Winde zerstreuen.


Dass den Thorium-Reaktor die Funktionsweise auszeichnet, ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Vielmehr besticht der Thorium-Reaktor durch Vorteile sonder Zahl. Zumindest wünscht sich der Umweltschützer effizientere Arten der Stromversorgung* als das konventionelle Kernkraftwerk, das lediglich 0,5 Prozent des Urans effektiv nutzt. Die Leichtwasserreaktoren der herkömmlichen Atomkraftwerke sind insofern wahrlich nicht das Gelbe vom Ei. Die ungleich höheren Temperaturen erlauben es den Flüssigsalzreaktoren hingegen, um ein Bedeutendes effizienter Strom zu produzieren. Vor allen Dingen verpestet ein Thorium-Reaktor aber nicht die Luft. Mit einem CO2-Ausstoß hat er nichts am Hut. Ja, bei Tage besehen ist er gar umweltfreundlicher als die Solarzelle oder die Windturbine. Die Entsorgung hochgiftiger Seltener Erden ist bei ihm so wenig ein Thema wie das Zerstückeln von verirrten Vögeln.


Umweltschutz mit Pferdefuß: Drohneneinsatz


Angesichts dieser regelrecht ellenlangen Liste von Vorteilen ist es kein Leichtes, gegen den Thorium-Reaktor Nachteile ins Feld zu führen. Und doch sind sie schwer von der Hand zu weisen. So entbehrt beispielsweise die Behauptung jeder Grundlage, dass beim Thorium-Reaktor der Abfall gemessen an jenem des Uranreaktors militärisch harmlos ist. Selbst oder gerade Wuwei erteilt dem Rüstungswahn und menschlichen Leid* keine klare Absage, wenn Berichten zufolge der Projektmitarbeiter Yan Long das Studium vor Ort nützt, um Flüssigsalzreaktoren für den Kriegseinsatz zu rüsten. So ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die vergleichsweise großen Druckwasserreaktoren ausgedient haben und für U-Boote wie Schiffe Flüssigsalzreaktoren Standard sind. Ja, genau genommen ist durch entsprechende Reduktion der Größe gar an einen Einsatz von Flüssigsalzreaktoren in Drohnen zu denken. Allfälligen chemischen Korrosionsproblemen sollte mit neuen Legierungen allemal beizukommen sein.


Rosatom Werkansicht

Quelle: World Nuclear News auf Twitter


Überhaupt sind Minireaktoren der letzte Schrei. Nicht von ungefähr schwärmt etwa Bill Gates für seine natriumgekühlten Minireaktoren. Neben China treibt aber vor allen Dingen Indien die Thorium-Forschung intensiv voran. Das überrascht nicht wirklich, nachdem das Land über 850.000 Tonnen oder umgerechnet rund 13 Prozent des weltweiten Thorium-Vorkommens verfügt. Von den diesbezüglichen Bemühungen der Inder zeugt der Prototype Fast Breader Reactor (PFBR) in Kalpakkam an der Koromandelküste im Golf von Bengalen. Am Bau beteiligt ist Rosatom, die Föderale Agentur für Atomenergie Russlands, die direkt der russischen Regierung untersteht.


* Unbezahlter Weblink (Eigenwerbung)

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