Mikhail Simkin von der University of California in Los Angeles erregte 2011 die Gemüter, als er sich zur Behauptung verstieg, dass die abstrakte Kunst einschlägiger Künstler nachweislich nur vier Prozent besser sei als die Kleckserei von Kleinkindern, Affen und Elefanten. Dass Vorurteile in der Kunst gang und gäbe sind und namentlich die abstrakte Kunst damit seit alters ihre liebe Not hat, ist nichts Neues. Ein Glück von daher, dass sich die Kunstwelt wenigstens über die Güte der Werke von Pablo Picasso und Claude Monet einig ist. Bei beiden Genies zeigte sich das Zeichentalent bereits in der frühesten Kindheit. Wunderkinder machen nach wie vor von sich reden. Während sich der Staat allerdings redlich um die Musik- und Sporttalente kümmert, wäre ohne Eltern an die Förderung kunstbegabter Kinder nicht zu denken.
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Entwicklung: Gut Ding will Weile haben
Wer für die künstlerische Begabung eine Definition* sucht, ist mit Joy Paul Guilfords Strukturmodell der Intelligenz unter Garantie nicht schlecht bedient. Immerhin verlangt es vom Kreativen Eigenständigkeit, Originalität, Ideenreichtum, Abwechslung und die Liebe zum Detail. Selbstredend braucht es seine Zeit, bis Kinder diesen Auflagen genügen. Wenn sie sich allerdings mit viereinhalb Jahren im Stande sehen, den Stift richtig zu halten, ist es um ihre Feinmotorik besser bestellt als um jene der meisten Hollywoodschauspieler.
Während im Alter von 3 Jahren mehr als sogenannte Kopffüßler, also Gesichter mit Beinen und Armen, nicht drin sind, ist ab einem Alter von 4 Jahren mit Details wie Wimpern, Haaren und Kleidung zu rechnen. Auch werden die Figuren nach und nach in eine Umgebung mit Wiese und Himmel gepackt. Die Werkreife erlangen die Bilder nichtsdestotrotz erst im Vorschulalter. In diesem Alter hat das Kind das nötige Gespür für die Bildkomposition. Nichts im Bild bleibt also dem Zufall überlassen, alles ist in den übergeordneten Kontext eingebunden. Wenn endlich in der Grundschule die Röntgenbilder den Ton angeben, erlauben etwa transparente Hauswände den Blick in verborgene Zimmer.
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Bedeutung: Warum Kinder zu Pinsel und Farbe greifen sollten
Aus Untersuchungen von britischen Forschern an 15.500 eineiigen und zweieiigen Zwillingen erhellt, dass sich in der künstlerischen Begabung die Intelligenz eines Menschen bekundet. So haben jene Vierjährigen, die im Mann-Zeichen-Test blendend abschnitten und die wesentlichen Körperteile und Gesichtsmerkmale in der richtigen Anzahl darzustellen vermochten, auch ein Jahrzehnt später im Intelligenztest Spitzenergebnisse erzielt. Über die Maßen erstaunen diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht. Naturgemäß schärft nämlich das Malen gleich dem Zeichnen das analytische Denken. Immerhin bedarf es des genauen Studiums eines Objekts, um es korrekt wiedergeben zu können. Es ist drum mitnichten verkehrt, in der künstlerischen Betätigung ein Training für das Gehirn* zu sehen.
Nicht genug damit. Wer sich künstlerisch ausdrückt, hat das unstreitige Gefühl, etwas im Leben bewirken zu können. Schließlich regt noch jedes Bild den Betrachter zum Nachdenken an. Insofern sind Eltern gut beraten, sich mit ihrem kunstbegabten Kind auszutauschen, es kurzum zu bitten, etwas über das Bild zu erzählen. Mit dieser Bitte stärken sie das Selbstvertrauen des Kindes, während sie mit der Frage, was es denn da gemalt habe, ihr Kind verunsichern. Die intensive Beschäftigung mit den Kreationen der Kleinen ist allein schon deshalb angezeigt, weil Kinderzeichnungen Tagebucheinträgen gleichen. Kinder malen das, was sie gerade bedrückt oder glücklich macht. Je mehr sich Eltern also mit den Kunstwerken ihrer Kinder beschäftigen, desto mehr erfahren sie über ihren Nachwuchs.
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Förderung: Empathie der Eltern gefragt
Jedes zweite Wiener Volksschulkind gilt laut dem Wiener Stadtschulrat als hochbegabt. Eine Klasse überspringen dürfen Jahr für Jahr aber maximal zehn Kinder. Überhaupt verdienen scheint’s nur herausragende Fähigkeiten in Mathematik, Musik und Sport eine besondere Würdigung. Wer hingegen mit einem kunstbegabten Kind vorstellig wird, wird an Volkshochschulen verwiesen. Mit deren Kursen ist dem Kind ebenso wenig gedient wie mit Kunsthochschulen, denen für Ausnahmetalente im zarten Alter das Verständnis fehlt. Letztlich bleibt die Förderung der jungen Zeichen- und Maltalente mithin an den Eltern hängen. Die Handhabung der Mini-Monets will allerdings gelernt sein.
Kunstbegabte Kinder zu fördern heißt zunächst einmal, auf Bewertungen und Belehrungen* zu verzichten. Wer sich schon als Elter den Kommentar nicht verkneifen kann, sollte sich tunlichst um konstruktive Kritik bemühen und konkret sagen, was ihm behagt und was ihm missfällt. An sich ist es aber weit besser, dem Kind die Möglichkeit zu geben, die Grenzen selbst auszuloten und der Fantasie freien Lauf zu lassen. Vom Himmel fällt ohnehin kein Meister. Ein Mini-Monet steht also eher zu erwarten, wenn das Baby bereits mit spezieller Fingerfarbe seine Spuren auf dem Papier hinterlassen darf. Überhaupt braucht es altersgerechte Utensilien, um den Spaß am Zeichnen und Malen zu wecken. So sorgen dicke Stifte bei Kleinkindern zweifelsohne für weniger Frust, nachdem sie sich um ein Bedeutendes besser anfühlen und mit sichtlich weniger Oberkörperarbeit zu Kritzeleien führen. Mausert sich das anfängliche Interesse am Zeichnen und Malen endlich zur sichtlichen Begeisterung, können sich Eltern mit entsprechenden Geschenken in die Förderung des Talents ihres Kindes einbringen. Eine Staffelei wäre ein denkbarer Anfang. Und mit dem gemeinsamen Besuch von Ausstellungen, Galerien, Museen und Kunstmessen hätte das Kind endlich die Gewissheit, dass das Interesse an einer künstlerischen Laufbahn entsprechend ernst genommen wird.
Hochbegabung: Auf den Spuren der Wunderkinder
Es erstaunt einigermaßen, dass sich ausgerechnet Pablo Picasso gegen die Wunderkinder der Malerei ausspricht und deren frühreife Begabung als schlichte Begabung eines Kindes* abtut, die sich abnützt und à la longue verflüchtigt. In der Tat haben selbst Pianisten und Fußballspieler, die als 8-Jährige Herausragendes geleistet haben, im Erwachsenenalter kläglich versagt. Nicht von ungefähr hat der Psychologe Jack Boyle aus Glasgow drum den Eltern von Kieron Williamson dereinst geraten, möglichst viele Bilder zu verkaufen und keine allzu großen Gedanken an die Zukunft zu verschwenden.
Quelle: House Beautiful UK auf Twitter
Als Mini-Monet machte 2010 der damals 8-jährige Williamson in den Medien die Runde. Als meistgefragter Künstler Großbritanniens verkauften sich seine Bilder auf einer Ausstellung innerhalb einer halben Stunde für 150.000 Pfund. Das Gros der Motive für seine Ölgemälde, Aquarelle und Pastellmalereien holt er sich aus dem Internet, obzwar er sie, um mit seinem Mallehrer Tony Garner zu sprechen, kieronisiert. Sein Zeichentalent zeigte sich bereits im Alter von 5 Jahren, als er im Urlaub in Cornwall ein technisch ausgereiftes Bild von Booten im Hafen aufs Papier warf. Gleichzeitig gab es stets Zweifel, ob er wirklich der Schöpfer all dieser fantastischen Bilder war. Verständlich drum, dass es seine Eltern begrüßten, wenn ihm andere bei der Arbeit zusahen und damit mit den bösen Gerüchten aufräumten.
Die Neider werden aber so oder so nicht aussterben. Selbst wenn Tochter North vom finanziellen Erfolg Williamsons weit entfernt ist, hat sich Kim Kardashian für sie ins Mittel zu legen und die Internetgemeinde zur Ordnung zu rufen. Ebendie bezweifelt nämlich, dass die 7-Jährige jenes Landschaftsgemälde im Bob-Ross-Stil gemalt hat, das die Mutter in einer Instagram-Story stolz präsentierte.
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