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Collin Coel

Stromschleuder – die hässliche Fratze von Bitcoin

Aktualisiert: 29. Mai

Das Image des Goldstandards hat Bitcoin spätestens mit dem jüngsten Kurssturz verspielt. Allein seit Mitte März 2022 hat die Kryptoleitwährung rund 250 Millionen Dollar an Wert verloren. Mehr noch aber scheint sich der immense Strombedarf zur Achillesferse zu mausern. Auswege aus der Misere sind dennoch in Sicht.


Finger auf Bitcoin weisend

Quelle: Gerd Altmann auf Pixabay


Proof of Work mitnichten ein Allround-Schutz


Die Finanzkrise 2008 hat das Vertrauen der Anleger in die Banken unstreitig nachhaltig erschüttert. Insofern kam Satoshi Nakamoto mit der Vorstellung seines Bitcoins keinen Tag zu früh. Bekanntlich gründet die Kryptowährung auf der Blockchain, ist es also am Miner, durch komplexe Rechenaufgaben einen Block zu generieren, der sich nahtlos in die Blockchain fügt. Als fälschungssicher gilt Bitcoin deshalb, weil keine Sau der Welt über jene Rechenleistung verfügt, die zur Änderung der gesamten Blockchain hinter dem aktuellen Block vonnöten wäre. Zum Dank für diesen Arbeitsbeweis, den sogenannten Proof of Work (PoW), erhält der Miner Bitcoins.


Mining-Prozessor von Bitcoin in blauer Illustration

Quelle: Pete Linforth auf Pixabay


Während sich das Vertrauen in den Code erst als blendende Wertanlage* entpuppt hat, hat Bitcoin mittlerweile wiederholt seine Krallen gezeigt und an seinem Nimbus des digitalen Golds ernsthaft gerüttelt. So wurden am 10. November 2021 noch 66.715 Dollar für einen Bitcoin gezahlt. Zur Stunde ist sein Wert hingegen unter die 30.000-Dollar-Marke gerutscht. Wenig überraschend teilt er damit dasselbe Schicksal wie der US-Technologieleitindex NASDAQ-100, der zwischen 10. November 2021 und 22. Mai 2022 um 27 Prozent eingebrochen ist.


Mithin hat es ganz den Anschein, als würde der Kryptoleitwährung ihr technischer Hintergrund arg zu schaffen machen und könnte die Beschränkung des Angebots längst nicht mehr die Stabilität des Golds* garantieren. Im Gegenteil. 2022 meldet Gold ein Plus von 1 Prozent, während Bitcoin mit einem Minus von 36 Prozent von sich reden macht (Stand: 22. Mai 2022). Wenn sich gleichwohl damit die Zahl der Miner ausdünnt, könnte davon die Energiebilanz profitieren. Fakt ist nämlich, dass sich mit zunehmender Zahl der Miner die Komplexität der Rechenaufgaben erhöht und das Schürfen sohin unweigerlich auch mit einem höheren Stromverbrauch einhergeht.


Kohlekraftwerke zur Deckung des Strombedarfs


Auf 125,1 Terawattstunden belief sich für Bitcoin der Stromverbrauch 2021. Damit verschlang das Mining der Kryptoleitwährung mehr Energie als die gesamte Ukraine, die 2019 lediglich Bedarf an 124,5 Terawattstunden hatte. Dabei wird Bitcoins Stromverbrauch durch diese Statistik noch in ein vergleichsweise günstiges Licht gerückt. Manche Analysten beziffern nämlich den Strombedarf der Kryptoleitwährung* auf sagenhafte 312 Terawattstunden. Und selbst wenn man dieser Annahme keinen Glauben schenkt, bleibt immer noch die Tatsache bestehen, dass von den im CIA World Factbook gelisteten 219 Ländern bloß 26 mehr Energie verschlingen als die führende Digitalwährung.


Kohlekraftwerk von Hardin im US-Bundesstaat Montana

Quelle: The Blockchain Space auf Twitter


Nicht von ungefähr feiern in den USA seit geraumer Zeit bereits totgeglaubte Kohlekraftwerke fröhliche Urständ. Während etwa Umweltschützer fix damit rechneten, dass 2018 der 115-Megawatt-Meiler von Hardin im US-Bundesstaat Montana vom Netz gehen würde, hauchte wider Erwarten 2020 die Bitcoin-Mining-Firma Marathon der Anlage wieder Leben ein und füttert seither mit dem schmutzigen Kohlestrom* die 30.000 Spezialrechner des in unmittelbarer Nähe des Kraftwerks errichteten Datenzentrums. Dass Hardin nur eins von vielen wieder hochgefahrenen Zombie-Kohlekraftwerken ist, macht die Sache keineswegs besser. Immerhin blies Berichten zufolge das Kraftwerk allein im zweiten Quartal 2021 rund 187.000 Tonnen CO2 in die Luft, umgerechnet also gut 5000 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs.


Gegen das Ablaufdatum der Hardware machtlos


Jährlich sind 34,52 kt Elektroschrott dem Schürfen von Bitcoin geschuldet. Damit liegt die Digitalwährung gleichauf mit der Niederlande. Nach einer Erklärung dafür muss einer nicht lange suchen. So ist nicht erst seit gestern die Hardware der Miner als sogenanntes One-Trick-Pony verschrien. In anderen Worten ist sie hochspezialisiert und längstens nach etwas mehr als einem Jahr nicht mehr zu gebrauchen. Ergo wandert sie auf den Schrottplatz.


Umweltschutz bloß als Vorwand für Mining-Verbot


Von jeher galt das Reich der Mitte als Hochburg der Bitcoin-Miner. Seit Mitte September 2021 ist damit allerdings Schluss. So erließ die chinesische Regierung kurzerhand ein Verbot aller Bitcoin-Transaktionen und untersagte namentlich das Schürfen. Vorgeblich soll Chinas Staatsspitze der exorbitante Energieverschleiß ein Dorn im Auge gewesen sein, vermutet wird hinter dem plötzlichen Krypto-Aus hingegen ein politisches Kalkül. Immerhin geht es nicht an, dass sich die Digitalwährung der Kontrolle des Landes entzieht*. Dies umso mehr, als China schon seit Jahren an einem digitalen Yuan bastelt, den die Notenbank fest im Griff hat.


Dass diese Unterstellung nicht weit hergeholt ist, erhellt aus der Tatsache, dass China die Bitcoins mit der CO2-neutralen Wasserkraft produzierte. Fakt ist jedenfalls, dass das chinesische Verbot scheint’s Schule macht. Zumindest kokettiert die Europäische Union ernsthaft mit einer Verbannung der Miner. Ebendie dürften dann die USA zu ihrer neuen Heimat erklären. In Kasachstan werden sie zwar geduldet, angesichts des Zetergeschreis der Umweltschützer dürfte das Ende des Minings in Chinas Nachbarschaft allerdings nur noch eine Frage der Zeit sein.


Die vielen Wege nach Rom


Mit dem Proof of Stake auf den Spuren von Ethereum


Im Kampf um die Algorithmen wird der Proof of Stake (PoS) dem Proof of Work à la longue den Rang ablaufen*. Davon ist Niklas Nikolajsen, der Gründer der Schweizer Kryptofirma Bitcoin Suisse, überzeugt. Alles, was es für die Änderung der Marschrichtung von Bitcoin noch braucht, ist der erfolgreiche Test im Ethereum-Netzwerk. Es verhält sich dabei so: Bei PoS-Blockchains validieren die Knoten des Netzwerks Blöcke, statt sie wie im PoW-Fall zu minen. Um als Blockvalidierer vom deterministischen Algorithmus auserkoren zu werden, bedarf der Knoten einer entsprechenden Anzahl von Token in der Wallet. In anderen Worten fungieren diese Token als hinterlegte Sicherheit und konkurrieren um den nächsten Block der Chain.


Chia Coins

Quelle: ChiatopUSD auf Twitter


Chia Coin als umweltfreundliche Bitcoin-Alternative


Dass Bitcoin auch fortan die unschlagbare Nummer eins der Kryptowährungen sein wird, bestreitet niemand. Wenn allerdings Bitcoins Stromverbrauch weltweit für Unmut sorgt, haben umweltfreundliche Alternativen wie der Chia Coin zwangsläufig gewonnenes Spiel.


Chia Network, das Unternehmen hinter dem Chia Coin, wurde 2017 von Bram Cohen, dem Erfinder des Peer-to-Peer-Filesharing-Systems BitTorrent, gegründet und hat bislang rund 16 Millionen Dollar einsammeln können. Es steht zu vermuten, dass fortan noch mehr Investoren auf den Zug aufspringen und mit dem Chia Coin liebäugeln. Schließlich hinterlässt diese Kryptowährung nachweislich einen ungleich geringeren CO2-Fußabdruck als Bitcoin. Dies deshalb, weil der Chia Coin mit dem Proof of Space and Time* arbeitet. Heißt auf den Punkt gebracht: Zur Überprüfung der Transaktionen wird nicht genutzter Speicherplatz auf den Festplatten der User verwendet. Dementsprechend viel Speicherplatz brauchen die Miner. Der Kaufboom von Speichermedien, den sie ausgelöst haben, lässt auf eine umweltfreundliche Kryptozukunft hoffen.


Skalierbarkeit von Bitcoin gefragt


Für Bitcoins Energieverbrauch eine Zukunft ganz anderer Art sieht Lukas Aumayr. Der Doktorand der TU Wien versucht, das Problem der Skalierbarkeit von Kryptowährungen in den Griff zu kriegen. Wenn Kreditkartensysteme bis zu 40.000 Transaktionen pro Sekunde meistern, während in der Kryptowelt gerade mal 10 Stück drin sind, ist es höchste Eisenbahn, an der Energieschraube durch eine Erhöhung der Arbeitseffizienz des Systems zu drehen. Mit einer Verbesserung des Transaktionsprotokolls geht zwangsläufig eine Verringerung der Rechenleistung und damit eine Energieeinsparung einher.


HODL-Ranch in West Texas

Quelle: Bitcoin Magazine auf Twitter


Erneuerbaren Energien das Wort reden


Zwar werden in den USA neuerdings totgeglaubte Kohlekraftwerke wiederbelebt und in den Dienst der Kryptoschürfer gestellt, das Land der Miningfarmen kann aber durchaus auch anders. So arbeitet die HODL-Ranch in Texas etwa ausschließlich auf Basis von Wind- und Solarenergie*. Die 150-Megawatt-Farm ist der lebende Beweis dafür, dass für Bitcoin die erneuerbare Energie absolut ein Thema sein kann. Einen nicht minder löblichen Weg beschreitet Crusoe Energy Systems. Das Unternehmen speist seine Bitcoin-Mining-Computer mit jenem Erdgas, das für gewöhnlich schlicht verbrannt wird. Dementsprechend ist die Miningfarm im Einzugsgebiet von entlegenen Gas- und Ölfeldern in North Dakota, Texas und New Mexico zu finden.


* Unbezahlter Weblink (Eigenwerbung)


Disclaimer:

Dieser Artikel dient lediglich Informationszwecken und stellt weder eine Anlageberatung noch eine umfassende Aufklärung über die Risiken beim Kauf, Verkauf und Halten von Finanzprodukten dar. Der Verfasser haftet nicht für etwaige Verluste, die einer Umsetzung der Gedanken und Ideen des Artikels geschuldet sind.

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