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Collin Coel

Digitale Kunst: Beeple setzt neue Maßstäbe

Aktualisiert: 29. Mai

Ein Unbekannter ist Mike Winkelmann alias Beeple schon lange nicht mehr. Nur wurde seine Zusammenarbeit mit Louis Vuitton, Justin Bieber oder Katy Perry von der breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommen. Dafür hatte der Digitalkünstler am 11. März 2021 bei der Versteigerung von »Everydays: The First 5000 Days« die Aufmerksamkeit von 22 Millionen Zuschauern. Die Angebote überschlugen sich, ehe das Werk des in South Carolina lebenden Mannes für 69.346.250 Dollar unter den Hammer kam. Dieser Rekorderlös machte Beeple schlagartig zum drittteuersten lebenden Künstler der Welt. Nur Jeff Koons und David Hockney stehen finanziell eine Spur besser da.


Beeple

Quelle: Lootex auf Facebook


Desinteresse der Auktionshäuser an digitaler Kunst


Den Museen ist die digitale Kunst wahrlich nicht fremd. Gerade erst machte die Tate Modern in London mit einem 20-jährigen Rückblick auf die Arbeiten von Bruce Nauman von sich reden. Frühe Schwarz-Weiß-Videoarbeiten des US-amerikanischen Konzeptkünstlers durften dabei unter den gezeigten Objekten nicht fehlen. Überhaupt ist das weltgrößte Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Sachen Medienvielfalt bestens aufgestellt. Im Archiv ist neben Klassikern wie Video und Audio Platz für Augmented Reality, Virtual Reality und Mixed Reality. Nichtsdestotrotz ist der Markt für digitale Kunst nach wie vor kaum der Rede wert. So schätzt der internationale Spezialversicherer Hiscox den Anteil der digitalen Kunst am 65 Milliarden Dollar schweren Kunstmarkt auf maximal 5 Prozent.


Wundern darf sich niemand darüber. Immerhin haben Auktionshäuser als Sekundärmarkt* im Allgemeinen mit digitaler Kunst nichts am Hut. In anderen Worten sind sie für gewöhnlich Anlaufstelle für Zweitbesitzer. Sie werden also erst dann spruchreif, wenn sich die Erstbesitzer zum Verkauf ihrer Kunstwerke entschließen. Sollten sich allerdings weiterhin stets mehr junge Leute für die digitale Kunst interessieren, werden sich die Auktionshäuser nolens volens in die Umstände fügen. Wenn nicht alle Zeichen trügen, wird es bald Neuauflagen der Auktion von Christie’s in London geben und »Everydays: The First 5000 Days« kein einmaliges Unterfangen bleiben.


Deconstructed Troll

Quelle: beeple auf Twitter


Naturgemäß braucht es sichtliche Auktionserfolge. Wenn Edmond Belamys AI-Kunstwerk »La Famille de Belamy« auf magere 10.000 Dollar geschätzt wird und endlich für stolze 432.500 Dollar den Zuschlag erhält, haben Medienkunst-Auktionen zweifelsohne eine Zukunft. Neben der Preisentwicklung ist für den Erfolg der Medienkunst aber entscheidend, dass sie dauerhaft zugänglich bleibt. Kein Kunstsammler wünscht sich nämlich das Schicksal des 2019 83-jährig verstorbenen Fernsehmoderators Blake Byrne. Er saß auf Kisten voller CDs, Kassetten und sonstiger Medienformate, auf die er keinen Zugriff mehr hatte. Erst die Digitalisierung seiner Sammlung ermöglichte ihm den Blick auf seine Schätze auf einem 80-Zoll-Bildschirm.

Generation X neben Millennials im Bieterzirkus


Bei Tage besehen sollte es Auktionshäusern nicht schwerfallen, auf den Zug aufzuspringen und mit NFT-Auktionen à la »Everydays: The First 5000 Days« zu neuen Ufern aufzubrechen. Schließlich könnten die Kosten beim Verkauf geringer kaum sein. Für den Verkauf digitaler Kunst bedarf es weder Fotografien noch der Lagerung, des Transports oder der Versicherung. Vor allen Dingen lockt die digitale Kunst aber die junge, tech-affine Generation an. Nicht von ungefähr hat sich Christie’s die Bieter rund um Beeples Megaerfolg genau angesehen. Insgesamt haben sich 33 Kunstsammler – 55 Prozent Amerikaner, 27 Prozent Europäer und 18 Prozent Asiaten – für »Everydays: The First 5000 Days« interessiert. 91 Prozent von ihnen waren Erstkunden von Christie’s. Das Gros der Bieter oder umgerechnet 58 Prozent bestritten dabei die Millennials, also die Jahrgänge 1981 bis 1996. Immerhin noch mit 33 Prozent waren die Jahrgänge 1965 bis 1980 vertreten. Sie sind das beste Indiz dafür, dass die Generation X längst nicht zum alten Eisen gehört. Zu nichts mehr nütze ist dafür die Baby-Boomer-Generation. Die Jahrgänge 1946 bis 1964 können angesichts dürftiger 3 Prozent nur unter ferner liefen registriert werden. Auch die Generation Z (Jahrgänge 1997 bis 2010) ist in Anbetracht der mageren 6 Prozent noch nicht wirklich reif für die digitale Kunst.


Das große Rätselraten um den Käufer


Anfangs hat alle Welt regelrecht ein Staatsgeheimnis aus dem Käufer von »Everydays: The First 5000 Days« gemacht. Mittlerweile gilt der in Singapur lebende Tech-Unternehmer Vignesh Sundaresan als stolzer Besitzer des digitalen Meisterwerks.


Der Non-Fungible Token (NFT) des Kunstwerks räumt dem unter dem Pseudonym MetaKovan bekannten Käufer Nutzungsrechte ein, das Urheberrecht verbleibt hingegen bei Beeple. Während Kunstfonds als Investitionsmöglichkeiten* längst zum Alltag im Kunsthandel gehören, sind NFT-Fonds wie Metapurse von MetaKovan noch für viele Kunstsammler Neuland. Überhaupt muss die Kunstwelt erst den Umgang mit Non-Fungible Token lernen. Für MetaKovan sind allerdings NFTs ein alter Hut. Bereits vor seinem Gebot für »Everydays: The First 5000 Days« hat er digitale Werke von Mike Winkelmann erworben und mit den Eigentumsrechten an ihnen zehn Millionen Token geschnürt. 25 Prozent dieser unter dem Namen B.20 bekannten Token hat MetaKovan öffentlich verkauft, gut 50 Prozent behielt er für sich. Es überrascht wenig, dass die B.20-Token unter Kunstsammlern heiß begehrt waren, nachdem das Gebot für Beeples »Everydays: The First 5000 Days« in der 2-wöchigen Onlineauktion von Tag zu Tag stieg. Für MetaKovan hat sich die Sache jedenfalls absolut rentiert. Seine B.20-Anteile waren am Tag des Zuschlags rund 51 Millionen Dollar mehr wert.


Qualität hat ihren Preis


Beeples Meisterwerk entführt den Kunstliebhaber auf eine Zeitreise. Der Name ist Programm. Mehr als 13 Jahre lang hat Beeple an »Everydays: The First 5000 Days« gearbeitet. Seit 1. Mai 2007 hat der Digitalkünstler täglich ein neues Kunstwerk geschaffen und ins Netz gestellt. Und nun befindet sich diese monströse Sammlung von Kunstwerken als Collage in einer Bilddatei der Größe 21.069 X 21.069 Pixel.


Pepporoni Power Structure

Quelle: beeple auf Twitter


Es ist wahrlich nichts Neues, dass Handwerk und Handschrift Indizien guter Kunst* sind. Beeples »Everydays: The First 5000 Days« erfüllt unstreitig beide Auflagen. Jeder Kunstliebhaber, der sich in diese Arbeit vertieft, kann den Werdegang des Digitalkünstlers spielend nachvollziehen. Was dereinst mit handgezeichneten, gescannten und hochgeladenen Cartoons begann, trug alsbald dank innovativer Software Züge abstrakter Kunst. Nach und nach tauchte Beeple in die fantastische Sci-Fi-Welt ab, ehe er sich der Polit- und Sozialsatire verschrieb, für die er zur Stunde weithin bekannt ist.


NFT-Kunst weiterhin für Schlagzeilen gut


In den höchsten Tönen spricht beileibe nicht alle Welt von der NFT-Kunst. Nachdem aber seit alters Kritik Kunstsammlern nicht fremd* ist, können sie einen Puff vertragen. Selbst wenn sie sich zu den Nerds und Neureichen der Kryptoszene zählen, dürfen sie den NFT-Handel durchaus als Demokratisierung des Kunstbetriebs bezeichnen. Erst mit der Blockchain-Technologie haben digitale Werke jenen Stellenwert auf dem Kunstmarkt, der zuvor bloß analoger Kunst attestiert ward. Digitalkünstler schlagen mit dem NFT-Handel gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe. Einesteils bleiben sie Urheber ihrer Werke, andernteils schafft ein einziger Non-Fungible Token für das jeweilige Kunstwerk eine künstliche Knappheit des Angebots, das die Preise automatisch in die Höhe treibt. Nichtsdestotrotz bleibt abzuwarten, ob beim NFT-Handel künftig mehr über Inhalte oder Werte diskutiert wird. Devise: Ist der Non-Fungible Token nun noch Kunst oder nicht doch mehr Währung?


* Unbezahlter Weblink (Eigenwerbung)

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